Im Strandhotel ist es ruhig geworden.

Wir sitzen vor dem Süssigkeitenautomaten, der müsste mal wieder aufgefüllt werden.
Wenn wir nur wüssten von wem?

Viviane muss ins Büro.
Mama hat zu tun und Papa hat auch keine Lust mehr auf Erziehung.
Opa R. will nicht Schach spielen. Die Nana spielt nicht Backgammon. Opa liest uralte Zeitungen.
Oma macht keinen Unterricht, Zeugnisferien!
Das Strandhotelküchenteam hat keine Lust auf Küche. Auch keine Lust auf Team.
Keiner hat Lust auf irgendetwas.

Wir warten auf Bernies Schicht am Nachmittag. Vielleicht hat der wenigstens was zu erzählen!

Zu Hause fahren wir Schlitten. Trinken wir Tee. Im Schnee.

In Ediths Strandhotel fahren wir Aufzug. Rauf und runter.


Joseph ist als erster wach. Er schaut vorne raus, dann durch die Fenster von Papas Bistro. Alles weiß!

Der Kastanienbaum hinten im Hof trägt frischen Schnee. Die roten Dächer glitzern und frieren dahinter.

Schön sieht das aus.
Aber was hilft uns das?


Auch wenn wir genug Schnee finden können auf Mauern und Kühlerhauben für unsere Schneeballschlacht auf dem Weg zum Supermarkt. Wenn wir die Eisschicht auf dem Wasser vor der Schleuse testen und über große Pfützen schlittern. Auch wenn die Sonne am Sonntag herauskommt, wie der Name es sagt, und wir auf den Fotos lächeln.

Eigentlich können wir nicht mehr.

Zwischen 10 und 11 Uhr darf Edith in der Schule ihr Zeugnis abzuholen.

Das tut sie.


Danach gibt es im Strandhotel Eisbecher für alle, die wollen, weil wir das zu Hause nicht dürfen.

Edith findet heraus, dass Kreis plus Krone Kreis ergibt. Und Dreieck plus Herz gleich Halbmond.

Bernie bleibt.

Er hat seinen grünen Parka und seine Wollhandschuhe in dem Kabuff hinter der Rezeption abgelegt und kümmert sich nachmittags von 15 bis 17 Uhr um den Empfang.


Ich saß einfach nur da, sagt Bernie, versuchte mich warm zu halten und achtete darauf, was vor mir passierte.


Er versteht sich wunderbar mit unserem Hund.

Am Geländer der oberen Terrasse sitzt Bernie auf seinem schwarzen Klappstuhl und schaut aufs Meer.

Er sitzt unten in der Bucht gleich vorne am Wasser und holt sich nasse Füsse.

Wir sehen Bernie im Aufzug, in der geschützten Ecke der großen Terrasse, und am Rande des Hockeyplatzes, obwohl überhaupt niemand spielt. Er sitzt in der Eingangshalle vor dem Süßigkeitenautomaten und auf einem der winzigen Balkone in der dritten Etage, links.

Immer auf dem schwarzen Klappstuhl mit seinen dicken Wollhandschuhen und dem medizinischen Mund-Nase-Schutz ein bisschen schief im Gesicht.

Bernie schaut. Wir fragen uns, was er gerade denkt.

Freitags sind wir irgendwie erleichtert und wissen nicht warum.

Die Wochentage unterscheiden sich im Moment nicht sehr von den Samstagen. Oder den Sonntagen.
Trotzdem.


Wir sitzen Freitagabends in der Küche, im Salon, im Speisezimmer, auf der Terrasse oder sonstwo in größeren oder kleineren Gruppen zusammen. Das ist der Unterschied: In Ediths Strandhotel bleiben wir zusammen.

Schmetterlingskuss zur guten Nacht und Joseph sagt, er findet es schade, dass uns dabei nicht die Wimpern ausfallen. Ich erschrecke kurz, bevor ich verstehe, wie gut die Idee ist:

Beim Gute-Nacht-Kuss einen Wunsch frei haben.

Es ist schwierig, sich nach den Wochenenden wieder loszureißen von diesem Ort.


Von Ediths Strandhotel, wo es nach dem Aufwachen in zwei oder vier dreieckige Stücke geschnittenen Marmeladentoast gibt.


Auch wenn wir unter der Woche zwischendurch hier sein können, das hin und her zwischen zwei Orten ist anstrengend. Zu Hause müssen wir in der einen Woche dies, die Kinder können aber in der nächsten Woche nicht das.

Im Strandhotel können wir und müssen nicht, es fehlt uns nur manchmal ein Alltag.