Vol. 1 — Frühjahr 2020

Als es angefangen hat, gab es im Strandhotel jeden Morgen Toast mit Marmelade.
Inzwischen servieren wir auch Croissants oder die kleinen Brötchen mit Butter oder geröstetes Brot mit Wurst und natürlich Müsli mit Obst.
Von allen Gästen, die da sind, lernt Edith dazu. Sie macht Rührei. Sie versucht Spiegelei.
Sie lernt Bratei. Sie schreibt die Frühstückskarte mit Füller in ihrer schönsten Schrift und Joseph fragt:

Pfannkuchen? Vulleicht?

Du machst Milchkaffee für mich und den Pulverkaffee für Oma und Opa, Tee für Opa R. und Kakao für die Kinder. Die Nana hat sich ihren kohlrabenschwarzen Kaffee längst selbst zubereitet, denn die Nana steht als erste auf. Auch an den Wochenenden.

Die Kinder rennen unermüdlich hin und her, bringen hier noch einen Löffel und da noch eine Serviette, einen Zuckerspender, einen frisch ausgepressten Orangensaft. Mit oder ohne Eis.

Immer wieder haut Edith mit der flachen Hand auf die Küchenbimmel, damit Joseph weiß: er darf tragen helfen.

So lange geht das, bis alle genau das haben, womit sie ihren Tag am liebsten beginnen.

Im Strandhotel schauen wir morgens aufs Meer.

Zu Hause haben wir neue Gewohnheiten, die wir nicht mögen. Wir überbieten uns gegenseitig mit schlechten Nachrichten aus aller Welt. Der Himmel draußen passt nicht zum Drinnen und wir haben jetzt schon vergessen, wie die Haare von Freunden riechen.

Im Strandhotel schauen wir mittags aufs Meer. Wir schauen abends aufs Meer!

Die Lage von Ediths Hotel könnte besser nicht sein. Wir sagen uns, dass es einfach auf einem Felsen am Meer steht. Ein kleiner Strand gehört dazu. Eine alte Bootsgarage.

In geringer Entfernung, so dass wir zu Fuß gut hinlaufen können, gibt es einen Ort, vielleicht mit Hafen. Etwas weiter weg eine kleinere, dann eine größere Stadt, aber wo genau sich das so befindet, da legen wir uns nicht fest.

Überhaupt sind wir im Strandhotel sehr international. Unsere Gäste kommen von überall her. Wir sprechen verschiedene Sprachen oder schweigen verschiedene Sprachen.


Amen.

Zu Hause sehnen wir uns nach einem anderen Ort.

Wir sehnen uns danach auf Reisen zu gehen, wir möchten unsere Freunde sehen, wir wünschten, wir könnten die Uhr morgen weit zurück oder mehr als nur eine Stunde nach vorne drehen.

In Ediths Strandhotel sind wir viele. Und wir wollen genau da sein, wo wir sind.

Wenn der Samstag misslingt, wird der Sonntag etwas besser. Und wenn der Sonntag misslingt, war vielleicht wenigstens der Samstag so mittel.

Im Strandhotel bleibst du samstags lange in der Küche und kochst, wenn Oma nicht mag, weil sie lieber strickend oder lesend oder rauchend auf ihrer Terrasse sitzt. Du machst Gulasch oder eine Bolognesesauce oder ein vegetarisches Curry für abends. Ich backe Brot mit der Nana. Ich backe Kuchen mit den Kindern.


Ich schlage die Sahne.


Wir fragen uns beim Abendessen nicht, für wen überhaupt und wer wollte wirklich? Wir fragen nicht,

wie machen wir es morgen?
Wie die nächste Woche?
Wo dürfen wir hin und mit wem?