Im Strandhotel geht keiner verloren. Schon gar kein Kind.
Wenn doch mal eins fehlt, oder zwei, müssen wir auf die Dachterrasse steigen und von oben die Umgebung mit Opas Fernglas absuchen.

Vielleicht ist auch der Aufzug stecken geblieben und die gesuchte Person ist da drin. Dann hören wir es rufen und pochen … Wir holen das Werkzeug und machen den alten Aufzug wieder heil.

Im Strandhotel geht keiner verloren, und es ist Edith wichtig, dass keiner etwas bezahlt.
Im Strandhotel sorgen wir einfach so für einander, denn das Strandhotel ist kein Geschäft.


Wir machen keine Geschäfte im Strandhotel. Wir verhandeln nicht.
Es darf niemandem etwas passieren. Und damit basta.

Zu Hause lernt Edith:
Monday … Tuesday …  Wendsday … Thursday … Friday … Saturday … Sunday MondayTuesdayWendsdayThursdayFridaySaturdaySunday …

Im Strandhotel übt Joseph Lunes, martes, mercoles, juebes, vermes, sabado ….

FLAMINGO.

Und Oma spielt mit allen, die möchten, Kniffel am Strand.


Im Strandhotel kann Edith sich nicht vorstellen, dass jetzt wirklich schon die sechste Woche beginnt. Dass wir nach dieser Woche immer noch nicht nach Hause fahren. Auch nicht für zwischendurch.

Joseph weiß nicht, wie lange eine Woche dauert, ein Monat, zwei oder ein Tag.
Er wundert sich langsam über gar nichts mehr, auch nicht über düstere Gesichter am hellen Strand oder über die vielen Zimmer, in denen Tag und Nacht gearbeitet wird.

Dass Joseph nicht allein in seinem Zimmer schlafen will, trifft sich jetzt gut.
Im Strandhotel brauchen wir Platz.
Familien bleiben zusammen, um die Zimmer in den oberen Etagen frei zu halten. Da schlafen unsere Gäste einzeln, aber sie sind nicht allein.

Allein bist du im Strandhotel nur, wenn du möchtest, und nur auf die angenehmste Weise.

Du möchtest allein, bitte, du möchtest zu zwein, bittebitte. 

Zu Hause hätte es Streit gegeben, weil keins der Kinder vor die Tür will, nicht mehr in den Park, in den Wald, nicht an den Fluss, die Picknickdecke ist zu klein, das Wasser hat nicht genug Kohlensäure …

Im Strandhotel schnitzen wir Bögen, Pfeile, spielen wir Backgammon und Schach auf der Terrasse.
Wir erzählen uns Schnurrbart-Witze, trinken Orangina, und essen gesalzene Kartoffelchips.

Die Kinder nehmen den Aufzug hinunter zum Strand. Sie müssen ihn mit einem Schlüssel aufsperren, der an einem schweren Anhänger an der Rezeption hängt.

Um neben der vielen Arbeit noch ein bisschen Bewegung zu kriegen, gehen wir Erwachsenen die wenig befestigten Pfade hinunter in die Bucht.
Vorbei zuerst am Küchengarten, über ein Gatter, Zitronenbäume, ein paar Ziegen, der Olivenhain, ein weiteres Gatter, der alte Turm und dann …

Edith hat sich für heute Delfine gewünscht.

Zu Hause haben wir einen Strauß Tulpen in der Vase.

Im Strandhotel duftet es schon längst nach Mandel, Zitrone, Olive, oder Argan, je nachdem. Oder auch nicht.
Zu Hause der Wind in den frischen Blättern des Kastanienbaums, 3. Stock.

Darüber der Himmel wieder so blau.

Die Tage im Strandhotel gehen vorbei wie im Flug.
Wir arbeiten nachts, wenn die Kinder endlich eingeschlafen sind. Vorher wollen sie noch schnell etwas malen, lesen, bauen basteln.
Joseph will „Pitazien“ essen, aber er kann sie noch nicht selber öffnen.
Edith will mit den anderen durch die Gänge des Strandhotels rennen, die Treppen raufsteigen und die Geländer runterrutschen.

Alle zusammen wollen sie ganz zum Schluss noch ein Lieblingslied hören.
Ein Lieblingslied hören, das wollen wir auch.

Es gibt in diesem Frühling keinen Ort wie diesen. Es gibt überhaupt keinen Ort, der für alle offen ist.

Wir geben uns deswegen besonders viel Mühe, sagt die Oma.
Wir machen ein bisschen schneller als sonst, die Nana.
Wir ziehen das durch, sagt Opa.
Quo vadis, der OpaR.


Die Kinder unten an den Strand. Die Erwachsenen an die Arbeit. Die Älteren auf ihre Terrassen.

Musik und Blumen und Schokolade für alle!

Manche unserer Gäste sollen, die meisten wollen noch bleiben, und es kommen mehr und mehr und mehr Menschen dazu.

Andere verabschieden sich für immer.