Morgens müde, zu spät dran. Brille beschlagen, Einkaufen nervt. Die Nachrichten geben uns den Rest.

Und nichts macht wirklich Spaß.

Im Strandhotel sind die Wahlen klarer ausgefallen und es können nun alle endlich wieder an die Arbeit gehen.

Am Baum im Hinterhof ein paar gelbe und bräunlich verschrumpelte Blätter. Rote Dächer, verklinkerte Schornsteine, der Himmel so blau, dass wir uns fragen, ob dieser Herbst wie der Frühling wird?

Nur ohne Harald, meint Edith.


Harald ist eine Schildkröte. Und sie wohnt bei Ediths Freund Fritz. Wenn der Winter kommt, können Schildkröten nicht einfach so im Gehege bleiben, weswegen Harald gesäubert und behutsam in eine Kiste mit Erde gelegt wird. Er wird mit einer Handvoll Eichenblätter zugedeckt. Er schläft im Kühlfach bis –

Wahrscheinlich bis das Virus weg ist, sagt Edith.
Kackvirus, sagt Joseph.


Im Strandhotel müssen die Schildkröten im Herbst und Winter nicht in den Kühlschrank.

Zu Hause leben wir diese Woche nach PlanA.
Wir haben uns bereit zu halten für PlanB.

Im Strandhotel brauchen wir keinen PlanA oder B. Die Kinder machen täglich unzählige neue Pläne.

Edith schreibt auf:

Plätzchen backen jeden Tag
Mit der neuen Ritterburg spielen.
Für jedes Fenster im Strandhotel mindestens eine kleine wenn nicht eine große Laterne basteln.
Für den Weihnachtszirkus proben.
Aufzug fahren.
Hockey spielen. Bratsche spielen. Klavier spielen. Gitarre spielen und Bass.
Trommeln, flöten. geigen, trompeten …

IMMER SINGEN

Es ist warm, der Boden im Wald matschig, der Himmel hängt zu tief.

Vor den Supermärkten stehen die Leute wieder Schlange.

Im Strandhotel erhalten die Kinder die Erlaubnis, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ‚Arschloch‘ zu nennen.

Opa nennt ihn seit Jahren so.

Wahlbrief um Wahlbrief um Wahlbrief um Wahlbrief ging direkt von unserem Strandhotel hinüber nach Amerika.

Es wird teilweise heruntergefahren. So heißt das jetzt.

Wir Erwachsenen haben damit gerechnet. Wir haben unsere schlechten Gewohnheiten vom Frühling wieder aufgenommen und überbieten uns mit traurigen Statistiken.


Tagsüber arbeiten wir. Die Kinder in ihren ‚Kohorten‘.


Wenn zu Hause heruntergefahren wird, fahren wir im Strandhotel herauf.

Im Strandhotel bei Edith schauen wir morgens aufs Meer.


Wir atmen tief ein, wir müssen uns schütteln, wir lösen uns langsam aus einem seltsamen Traum. Wir stellen fest, dass alles wie vorher – und trotzdem ganz anders ist.


Wir sind alle noch hier. Es ist alles noch da.


In Ediths Hotel bewahren wir die Reichtümer auf, um sie zu teilen.
Wir besizten sie nicht, diese Reichtümer, wir wissen, dass wir sie nicht allein verdienen, und geben sie gern heraus, weil wir gemeinsam erklären:

Wir können, deswegen müssen wir helfen.

Wenn der Schnurrbart kommt, um sich im Strandhotel nach Reichtümern umzusehen, halten die Kinder sich die Bäuche vor Lachen. Der Schnurrbart findet sich schlauer als andere, und genau das macht ihn für Kinder so dumm.


Du machst seine eitle Schnurrbartsprache nach.


Er plaudert seine selbstsüchtigen Pläne aus, weswegen er bald mit gesenktem Kopf davon schleichen muss. Wir winken ihm von oben zu, wenn er den Felsen wieder herunter klettert.
Der arme Schnurrbart, er kann den Aufzug nicht benutzen, die Schlüssel besitzen nur wir.


Sobald er außer Sichtweite ist, lüften wir kurz das Geheimnis, lassen ein paar seltene Steine, ein paar kostbare Muscheln, ein paar Münzen durch unsere Finger gleiten, und verstecken sie – wo wird nicht verraten.

Auf dem Dach liefert und liefert und liefert die Sonne uns bei Tag die Energie, die wir für das Strandhotel brauchen.


In der Nacht schauen wir von hier aus in den Sternenhimmel und fragen, weil wir spüren, dass bald wieder alles anders ist:


Wird es jetzt besser?
Für alle?

Bei Sonnenuntergang üben die Feuerkünstler unten am Strand ihren Auftritt. Die Kinder dürfen zugucken und halten den nötigen Abstand ganz freiwillig.


Die Artisten nehmen den Mund voll mit giftig-grünem Pulver und spucken riesige Stichflammen, besser als Drachen das machen. Sie jonglieren mit Fackeln, lassen brennende Kugeln über ihre Körper rollen, entzünden kleine Flammen auf ihren Zungen und schmecken sie weg.


Sie löschen die Fackeln im Mund.


Und tanzen mit Feuerrädern, Feuerkeulen und Feuerschleudern in die einbrechende Nacht hinein.

Wir machen weiter.


Edith ist aufgeregt, weil der Monat Mai der reinste Geburtstagsmonat ist.
Sie selber und ihre beste Freundin und drei ihrer Tanten werden wieder älter.


Im Strandhotel spezialisieren wir uns auf Erdbeerdesserts.
Wir servieren Erdbeerquark, Erdbeereis, Erdbeertörtchen, Erdbeerwaffeln, Erdbeer-Tiramisu, Erbeerkuchen mit oder ohne Sahne, Vanilleeis mit Erdbeersoße, Erdbeer-Pannacotta, Erdbeergrütze, Erdbeermousse, Erdbeercreme, Erdbeerschaum, Erdbeertraum.


Auf den oberen Terrassen wird der Spargel geschält.