Vol. 2 — Herbst/Winter 2020/21

Es ist schwierig, sich nach den Wochenenden wieder loszureißen von diesem Ort.


Von Ediths Strandhotel, wo es nach dem Aufwachen in zwei oder vier dreieckige Stücke geschnittenen Marmeladentoast gibt.


Auch wenn wir unter der Woche zwischendurch hier sein können, das hin und her zwischen zwei Orten ist anstrengend. Zu Hause müssen wir in der einen Woche dies, die Kinder können aber in der nächsten Woche nicht das.

Im Strandhotel können wir und müssen nicht, es fehlt uns nur manchmal ein Alltag.

Heute wird wieder erwogen, beraten, gestritten, wie es weitergeht.

Im Strandhotel schauen wir auf morgen.

Im großen Speisesaal, in den Aufenthaltsräumen der oberen Etagen und in vielen Zimmern läuft der Fernseher, denn heute ist der Tag, an dem in Washington die neuen Präsident*innen vereidigt werden.


Das wollen wir sehen!

Schmetterlingskuss zur guten Nacht und Joseph sagt, er findet es schade, dass uns dabei nicht die Wimpern ausfallen. Ich erschrecke kurz, bevor ich verstehe, wie gut die Idee ist:

Beim Gute-Nacht-Kuss einen Wunsch frei haben.

Freitags sind wir irgendwie erleichtert und wissen nicht warum.

Die Wochentage unterscheiden sich im Moment nicht sehr von den Samstagen. Oder den Sonntagen.
Trotzdem.


Wir sitzen Freitagabends in der Küche, im Salon, im Speisezimmer, auf der Terrasse oder sonstwo in größeren oder kleineren Gruppen zusammen. Das ist der Unterschied: In Ediths Strandhotel bleiben wir zusammen.

Am Geländer der oberen Terrasse sitzt Bernie auf seinem schwarzen Klappstuhl und schaut aufs Meer.

Er sitzt unten in der Bucht gleich vorne am Wasser und holt sich nasse Füsse.

Wir sehen Bernie im Aufzug, in der geschützten Ecke der großen Terrasse, und am Rande des Hockeyplatzes, obwohl überhaupt niemand spielt. Er sitzt in der Eingangshalle vor dem Süßigkeitenautomaten und auf einem der winzigen Balkone in der dritten Etage, links.

Immer auf dem schwarzen Klappstuhl mit seinen dicken Wollhandschuhen und dem medizinischen Mund-Nase-Schutz ein bisschen schief im Gesicht.

Bernie schaut. Wir fragen uns, was er gerade denkt.