Vol. 2 — Herbst/Winter 2020/21

Wir tun so, als wäre alles normal, sagt Oma zu Hause, und stellt ihre geliebten Engel aus dem Erzgebirge auf das Klavier.

Im Strandhotel wünschen wir uns alles andere als Normalität.

Normalität kann verstörend sein, hat irgendjemand irgendwann einmal gesagt.

In Ediths Strandhotel bleiben die Zedernzweige am Baum im Garten vor dem Salon.

Zu Hause fällt uns heute zum ersten Mal auf, wie hübsch die Zweige sind.

Obwohl der Himmel seit Tagen grau ist, und der Kindersitz nass, glitzert es jetzt irgendwie auch in unserer Stadt.

Edith und Joseph finden große Murmeln im Adventskalender, die im Dunkeln leuchten.

Zu Hause, in Ediths Strandhotel, in Ediths Strandhotel und zu Hause.

Wir schreiben und zeichnen, zeichnen und schreiben.

Edith liest.

Wir sind so müde, dass uns schon bei Einbruch der Dunkelheit in Papas Bistro die Augen zu fallen.

Die Kinder sind hellwach.


Im Strandhotel freuen wir uns über den Blick auf das dunkle Meer.

Der Nikolaus muss eine halbe Ewigkeit gebraucht haben, um sich mit den vielen Süßigkeiten in den Aufzug reinzuquetschen. Zum Glück kann die Zahnfee fliegen.


Wir essen definitiv zu viel Schokolade. Und wir backen schon wieder.

Die Kinder schreien zwischendurch so laut herum, dass wir uns die Ohren zu halten, zu Hause in der dritten Etage.
Joseph fragt,

warum habt ihr denn solche Angst?
Geschrei ist doch kein Drache!


Wenn Geschrei ein Drache wäre, hätten wir im Strandhotel ziemliche viele davon:
Drachen, Schokoladennikoläuse, Dinosaurier, zwei Katzen, eine Schildkröte, einen Esel und einen Hund.

Und in der Bucht eine Delfinfamilie auf der Durchreise.